Fertighäuser im Check – Praxistipps aus Ingenieurssicht
Die Wahl der geeigneten Baupartner-Unternehmen kann eine schwierige Frage sein, bedenkt man die hohen Investitionskosten beim Hausbau und die Vielzahl an Möglichkeiten und Anbieter:innen. In Bezug auf das Image von Fertighausfirmen bestätigen die stetig steigenden Marktanteile allerdings eine zunehmende Akzeptanz unter der Bevölkerung. De facto stellten auch wir bei früheren Objektbegehungen fest, dass Fertighäuser heutzutage durchaus hohe Qualität liefern können. Fragwürdig ist, ob dies mit der Qualität oder den allgemein gestiegenen Baupreisen zu tun hat. Ziehen Sie als Bauherr:in beide Gründe in Betracht. Wir empfehlen Ihnen beim Kauf eines Fertighauses die vorgenannten Hinweise zu berücksichtigen und sich, sofern weiterhin keine Bedenken bestehen, auf ein neues Zuhause zu freuen.
Seit Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre, werden in Deutschland Fertighäuser errichtet. Insbesondere in den Anfangsjahren stellten Fertighäuser eine preiswerte Alternative gegenüber dem klassischen Hausbau auf der Baustelle dar. Das Image einer “billigen Baracke” liegt teilweise auch heute noch vor. Die Anzahl an Fertighausfirmen, die Akzeptanz beim deutschen Verband der Privaten Bauherr:innen, sowie die Etablierung von Qualitätszertifikaten zeigen jedoch, dass Fertighäuser eigentlich keine qualitativen Mängel mehr aufweisen sollten. Dennoch gibt es einige wichtige Aspekte die aus Bauherr:innensicht beim Fertighausbau zu beachten sind. Diese haben wir Ihnen in diesem Artikel zusammengefasst.
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Was sind Fertighäuser?
Eine einheitliche Definition für den Begriff Fertighaus gibt es nicht. Unsere Erfahrung zeigt, dass man unter einem Fertighaus umgangssprachlich ein “Einfamilienhaus von der Stange” versteht. Entgegen dem klassischen “Stein auf Stein-Prinzip” findet ein großer Teil des Hausbaus am PC und in einer Werkhalle statt. Bauende können sich katalogartig Ihr Traumhaus zusammenstellen. Die Fertighausfirmen haben dazu mehrere Module konzipiert. Diese lassen sich in unterschiedlicher Art kombinieren. Für die Konstruktion eines Fertighauses liegt in der Regel eine sogenannte Typenstatik vor. Mit einer Typenstatik wird die Konstruktion vordimensioniert. Die Typenstatik verringert die Bearbeitungsdauer eines Statikers im Vorfeld der Baugenehmigung. Grundsätzlich ist die Fertigteilbauweise auch bei anderen Gebäudearten denkbar. Aufgrund baurechtlicher Anforderungen jedoch weitaus komplexer. Im Mehrfamilienhausbau spricht man von einer Modulbauweise, die dem Fertighausgedanken aus dem Einfamilienhausbau sehr nahekommt. Auch im Büro- und Hallenbau ist die Fertigteilbauweise weit verbreitet. Sie spielt jedoch für private Bauherr:innen keine Rolle.
Wie sind Fertighäuser konstruiert?
Fertighäuser werden sowohl in Leichtbauweise (in der Regel in Holzbauweise), als auch in Massivbauweise (in der Regel mit Plansteinen und Betonfertigteilen) hergestellt. Weitere Bauarten sind denkbar. Dazu gehört mittlerweile auch das 3D-Betondruckverfahren. Ein neues Bauverfahren, womit u. a. Einfamilienhäuser schneller und kostengünstiger hergestellt werden sollen. Das Verfahren selbst befindet sich allerdings noch in den Kinderschuhen. Inwiefern die chemische Zusammensetzung des Druckmaterials langfristig ökologisch abbaubar ist, wird dabei weiterhin häufig in Zweifel gesetzt. Die meisten Fertighäuser im Einfamilienhausbau werden in Holzbauweise hergestellt. Bei der Holzbauweise wiederum unterscheidet man zwischen einer Holzrahmenkonstruktionen (auch Ständer‑, Tafel‑, oder Skelettbauweise genannt) und der Holzblockbauweise (aus Massivholzwände und ‑decken). In der Regel kommt eine Holzrahmenkonstruktion zur Ausführung. Die Holzrahmenkonstruktion ist von außen nicht sichtbar. Es gibt zahlreiche Fertighäuser in Holzrahmenbauweise mit Klinkerfassade. In Einzelfällen werden Fertighauskonstruktionen auch als Bausatz zur Baustelle geliefert, die dann in Eigenregie mit Bauanleitung, von der Bauherrschaft aufgestellt wird.
Was spricht für Fertighäuser?
Für ein Fertighaus spricht eindeutig die geringere Bauzeit. Durch die Typengenehmigung und die professionalisierten Herstellungsprozesse entstehen Zeit- und häufig auch Kostenvorteile gegenüber einer konventionellen Herstellung vor Ort. Festpreisangebote aus den Katalogen liefern den Bauenden eine große Kostensicherheit. Durch die gestiegene Qualität, finanzieren auch Banken heute problemlos Fertighäuser. Die Individualisierbarkeit ist durch die Entwicklung vieler verschiedener Module und Ausbauvarianten in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Menschen den Unterschied zwischen einem Fertighaus und einem konventionell hergestellten Haus nicht erkennen können. Weiterhin haben Sie bei Fertighaushersteller:innen die Möglichkeit, sich in Musterhausparks die verschiedenen Fertighauslösungen anzuschauen. Sie können sich somit vorab ein reales Bild davon machen, wir Ihr späteres Haus tatsächlich aussehen wird.
Was spricht gegen Fertighäuser?
Gegen ein Fertighaus spricht vor allem, dass private Bauherrschaften, wenn Sie denn schon “selbst” bauen, auch in einem individuell geplanten Haus leben möchten. Aus Bauherr:innensicht gibt es bei den Kataloglösungen immer wieder Bereiche und Ausstattungen, die anders aussehen sollen als in einem Musterhaus. Auch wenn sich viele Aspekte heutzutage mit der hohen Anzahl an Modulen, verschiedene Dachgauben, etc. abdecken lassen — Für die Bauenden fühlt es sich oft nicht eigen an. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Studien, die davon ausgehen, dass Fertighäuser einen geringeren Immobilienwert verursachen. Auch die technische Nutzungsdauer wird in einigen Regelwerken geringer angesetzt. Diese Argumente gelten allerdings nicht für jedes Fertighaus.
Die Auswahl bei der Ausstattung (Wand- und Bodenbeläge, Armaturen, Treppe, Fenster und Fensterbänke, Innen- und Außentüren) bleibt für Individualisten begrenzt. Gegen ein Fertighaus spricht für einige Bauherr:innen weiterhin die beschränkte Möglichkeit der Eigenleistung. Eigenleistungen werden häufig eingesetzt um Baukosten zu minimieren. Weiterhin bieten Fertighausfirmen zwar auch sehr günstige Häuser an, jedoch muss hier dann auch die Qualität hinterfragt werden. Oft werden Bauteile statisch maximal beansprucht oder Schallschutzanforderungen nur minimal überschritten. Spätere Umbaumaßnahmen sind dadurch häufig aufwendiger. Ein weiteres Problem kann die Anlieferung darstellen. Fertighäuser in schwierigen Hanglage findet man eher selten. Auch baurechtliche Vorgaben und Baulasten können den Wunsch vom Fertighaus erschweren.
Worauf ist beim Fertighausbau zu achten?
Ein Fertighaus zu kaufen, bedeutet in vielen Fällen eine Lieferung und Montage ab Oberkante Bodenplatte. Seriöse Fertighausfirmen weisen darauf hin, dass Sie als Bauherr:in das Grundstück selbst erwerben und sich vorab eigenständig um die Gründung und Erschließung kümmern müssen. Bei der Gründung umfasst das meist das Fundamente, die Bodenplatte mit Abdichtung und den Keller, insofern einer geplant ist. Erschließung umfasst die Frischwasser‑, die Abwasser‑, Strom‑, Gas‑, Telefon- und Internetversorgung. Mit Erschließung ist die Erschließung bis zum Grundstück (“Straßenanschluss”) und die Erschließung auf dem Grundstück selbst (“Hausanschluss”) gemeint. Zusätzliche Kosten können auch durch Baugrundgutachten, vorhandenen Altlasten im Boden (sogenannte Bodenkontaminierung) oder der Baustelleneinrichtung (Bauzäune, Toilette) entstehen.
Seriöse Fertighausfirmen sollten weiterhin auf mögliche Zusatzkosten in Bezug auf die Anlieferung hinweisen. Teilweise sind besondere Vorkehrungen zu treffen, um die Anlieferung der Fertigteile zu ermöglichen. Bedenken Sie bei den Angebotspreisen weiterhin, dass eigene Wünsche aufgrund einer Anpassung im Herstellungsprozess teurer als beim Handwerksunternehmen sein können. Eine Kombination aus lokalen Handwerker:innen und Fertighausfirma ist in der Regel nicht möglich. Wie bereits erwähnt, kommen Sie trotz Typengenehmigung nicht drumherum die Bauvorschriften (Bebauungsplan, etc.) sowie vorhandene Baulasten zu berücksichtigen. Erschließungsbaulasten, Wege- oder Nutzungsrechte erfordern häufig individuelle Lösungen, die Fertighäuser nicht bieten können. Welche Baulasten auf Ihrem Grundstück vorliegen können Sie in Ihrem Grundbuchauszug in der Abteilung II ablesen.
Wie kann ich als Bauherr:in die Qualität eines Fertighauses beurteilen?
Grundsätzlich lassen sich Fertighäuser qualitativ mindestens genauso hochwertig herstellen wie ein konventionell erstelltes Haus. Entgegen verschiedener Vorurteile ist der Werkstoff Holz genauso gut als Baustoff geeignet wie Stein und Beton. Auch bei Fertighäusern ist zu berücksichtigen, dass die Qualität maßgeblich von den getroffenen Vereinbarungen und von der Ausführungsqualität der Hersteller:in abhängt. Als Faustregel gilt auch hier: Wer ein günstiges Haus bestellt, erhält auch ein günstiges Haus. Hohe Preisunterschiede zu herkömmlichen Baukosten und vergleichbarer Wohnfläche von mehr als 20 % sollten zu bedenken geben.
Erwartungsgemäß berichtet der Verband privater Bauherren (VPB) regelmäßig, dass es mit den großen deutschen Fertighaushersteller:innen seltener Probleme gibt. Der VPB fungiert dabei als eine Art Verbraucherschutz. Sie können die Anbietenden auch am QDF-Gütesiegel erkennen (siehe fertighaus.de). Schauen Sie sich die Musterhäuser am besten selbst an. Achten Sie in der Baubeschreibung nach Markenprodukten von renommierten Herstellungsunternehmen (zum Beispiel bei Türen, im Sanitärbereich, etc.). Fragen Sie nach, wie lange das für Sie interessante Haus bereits am Markt vorhanden ist und wie häufig es verkauft wurde. Fragen Sie auch, wie lange der Anbietende selbst bereits am Markt ist. Suchen Sie alternativ im Internet nach Kundenrezensionen. Bei Zweifeln bieten Ihnen Expert:inneen auch an, die Leistungs- und Baubeschreibung zu prüfen. Vergleichspreise für ein konventionell geplantes Haus erhalten Sie bei Architektur- und Ingenieurbüros oder bei Generalunternehmen.
Wenn Sie immer noch an einem Fertighaus interessiert sind, empfehlen wir Ihnen das Fertighausfirma nach einer Einschätzung der Zusatzkosten zu fragen (siehe oben: Bauvorbereitung, Außenanlagen und Fertigstellungsgrad). Weiterhin ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal auch die Auswahl der vor Ort tätigen Handwerker:innen. Sie können beispielsweise nach Ausbildungsnachweisen fragen und Anzahl und Herkunft von Subunternehmen erfragen.
Unsere Empfehlung: Fertighaus kaufen — Ja oder Nein?
Die Wahl der geeigneten Baupartner-Unternehmen kann eine schwierige Frage sein, bedenkt man die hohen Investitionskosten beim Hausbau und die Vielzahl an Möglichkeiten und Anbieter:innen. In Bezug auf das Image von Fertighausfirmen bestätigen die stetig steigenden Marktanteile allerdings eine zunehmende Akzeptanz unter der Bevölkerung. De facto stellten auch wir bei früheren Objektbegehungen fest, dass Fertighäuser heutzutage durchaus hohe Qualität liefern können. Fragwürdig ist, ob dies mit der Qualität oder den allgemein gestiegenen Baupreisen zu tun hat. Ziehen Sie als Bauherr:in beide Gründe in Betracht. Wir empfehlen Ihnen beim Kauf eines Fertighauses die vorgenannten Hinweise zu berücksichtigen und sich, sofern weiterhin keine Bedenken bestehen, auf ein neues Zuhause zu freuen.
Verfasst am 2. Dezember 2021. Die obigen Informationen können veraltet/fehlerhaft sein und stellen keine Beratung dar. Fragen Sie uns für verbindliche Auskünfte hier an:
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