Wie wird die statisch-konstruktive Unbedenklichkeit bei einer PV-Zusatzlast auf einem Bestandsgebäude nachgewiesen? Die Antwort auf diese Frage kann vielfältig ausfallen. Die einfachste — aber nicht immer bedenkenfrei anwendbare Methode ist der Lastenvergleich. Was man unter einem Lastenvergleich versteht und wie dieser geführt wird, soll nachfolgend erläutert werden.
Wir stellen uns vor, auf dem Dach eines bestehenden Gebäudes soll eine PV-Anlage installiert werden. Die PV-Anlage stellt eine Zusatzlast dar, welche das Dach seit Herrichtung des Gebäudes bislang nicht belastet hat.
Was ist ein Lastenvergleich?
Bei einem Lastenvergleich verwendet man die statische Berechnung des Bestandsgebäudes und prüft die rechnerisch angesetzten Lastannahmen und vergleicht diese mit den real auftretenden Lasten. Sind die rechnerisch angesetzten Lastannahmen größer als die tatsächlich vorhandenen Lasten, spricht man von Lastreserven. Sind die Lastreserven größer als die geplanten Zusatzlasten (z. B. durch eine PV-Anlage), kann mit Hilfe eines einfachen Lastenvergleiches die statisch-konstruktive Unbedenklichkeit bescheinigt werden.
Welche weiteren rechnerischen Nachweise sind bei PV-Installation baukonstruktiv zu führen?
Eine PV-Anlage sorgt für eine Zusatzbelastung auf dem Dach, welche zu erhöhten Kräften in einzelnen Bauteilen führt. Die PV-Anlage selbst kann jedoch — aufgrund von Winddruck und Windsogwirkungen auch abheben (“herunterfliegen”) und sollte entsprechend gesichert werden. Das Sichern gegen Abheben wird je nach Dachkonstruktion unterschiedlich gelöst: Bei Flachdächern mit Lastplatten und bei Steildächern meist mit Befestigungsankern, die am Tragwerk befestigt werden. Um die Sicherung zu bemessen sind standortabhängige Windlasten (Windsog und Winddruck) zu ermitteln. Im Regelfall werden diese Nachweise von den Systemherstellern geführt.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um einen Lastenvergleich durchführen zu können?
Ein Lastenvergleich erfordert, dass die statischen Berechnungen eines Gebäudes in prüffähiger Form vorliegen. Das heißt, alle statisch relevanten Bauteile wurden bemessen und deren Lage ist dokumentiert (beispielsweise in einem Positionsplan). Alle rechnerischen Lastannahmen sind dokumentiert und wiederauffindbar. Außerdem sollten die real verwendeten Materialien vor Ort erkennbar bzw. durch Lieferscheine, Baustellenfotos oder Rechnung belegbar sein. Sollten Erinnerungsprotokolle von Bauteilaufbauten oder Bauteilabmessungen vorliegen (z. B. vom Eigentümer selbst), ist dies entsprechend zu protokollieren (relevant im Schadensfall). Ein Dokumentencheck und eine Vor-Ort Begehung sind bei einem Lastenvergleich als Mindestanforderung zu werten.
Beispiel für einen Lastenvergleich
Gerechnet wurde ein Dach mit folgendem Aufbau:
- Stahlträger IPE 300
- Stahl-Trapezprofil 104 mm
- Mineralwoll-Dämmung, d = 160 mm WLG 040, Dichte: 150 kg/m³
- Dachabdichtung Bitumen, 2‑lagig
- Kiesbelag, 50 mm
Tatsächlich vorhanden ist eine Styrodur-Dämmplatte, d = 120 mm WLG 023 mit einer Dichte von etwa 30 kg/m³ (> 5x leichter). Die Dachabdichtung ist eine Kunststoffbahn, einlagig verlegt. Der Kiesbelag wurde bereits entfernt. Das Dachtragwerk, bestehend aus Trapezprofil und Stahlträger sind identisch.
Aus dem abweichenden Dachaufbau ergeben sich rechnerische Lastreserven, die für eine PV-Installation genutzt werden können.
Welche baukonstruktiven Themen sind weiterführend zu beachten?
Abgesehen von der statisch-konstruktiven Unbedenklichkeit sind Beschädigungen bei der Montage und während der Nutzungsphase an der Abdichtungsebene dringend zu vermeiden. Beschädigungen können kurzfristig beim Verlegen der PV-Module samt Unterkonstruktion entstehen (z. B. Risse in Abdichtungsfolien durch scharfe Profilkanten während des Transportes). Langfristige Beschädigungen können entstehen, wenn lokal sehr hohe Punktlasten die Abdichtungs- oder Dämmebene stark eindrücken und dadurch Reibungs- oder Spannungsrisse entstehen. Moderne Dachabdichtungsbahnen haben eine bauaufsichtliche Zulassung für hohe Punktlasten. Frühere Bauprodukte hatten diese häufig nicht. Kleinere Punktlasten werden statisch-konstruktiv nicht als Punktlasten, sondern vereinfacht als Flächenlast berücksichtigt und damit rechnerisch im Regelfall nicht nachgewiesen (nur bei sehr hohen Punktlasten, beispielsweise bei Wechselrichterbänken mit Einhausung).
Wie werden Lastenvergleiche von einigen Statikern alternativ geführt?
Eine Art Lastenvergleich könnte auch rechnerisch durchgeführt werden, indem der Ausnutzungsgrad statisch relevanter Bauteile in der bestehenden Statik betrachtet und unter Berücksichtigung zusätzlicher Lasten im Dreisatz-Verfahren rechnerisch erhöht wird. Liegt der Ausnutzungsgrad weiterhin unter 1,0 (100 %), kann eine statisch-konstruktive Unbedenklichkeit vereinfacht unterstellt werden. Beispiel:
In der rechnerischen Ausgangssituation ohne PV-Anlage wird das Dach mit 5,00 kN/m² belastet, der Ausnutzungsgrad (z. B. die Spannung) des Stahl-Trapezbleches beträgt rechnerisch 75 % (0,75). Die PV-Anlage wiegt inklusive Lastplatten 0,50 kN/m² inkl. Sicherheitsbeiwerten. Dies entspricht einer Lasterhöhung um 0,50/5,00= 10 % (0,1). Bei einem Einfeld-Trägersystem erhöht die Last (q) die resultierenden Kräfte eindimensional (nicht exponentiell). Dementsprechend könnte man darauf schließen, dass der neu resultierende Ausnutzungsgrad des Stahl-Trapezbleches rechnerisch nach Beachtung der PV-Zusatzlast 75 % + 10 % = 85 % (0,75+0,10=0,85) beträgt. Die statisch-konstruktive Unbedenklichkeit für das Stahl-Trapezprofil könnte mit einfachen handschriftlichen Nachweisen bescheinigt werden.
Welche kritischen Bedenken bestehen bei alternativer Durchführung des Lastenvergleichs?
Dieses alternative Lastvergleich-Rechenverfahren ist anwendbar bei einfachen statischen Systemen, wenn sichergestellt ist, dass im Bestand alle relevanten rechnerischen Nachweise geführt wurden und bei allen Nachweisen rechnerisch ein linearer Zusammenhang zwischen Lasteinwirkungen (q) und resultierenden Kräften besteht. Dies gilt auch für Bauteilverbindungen, Schweißnähte, Auflagerpunkte, diverse Querstreben und sonstige Bauteile. Es erfordert neben einer guten Gebäudeakte viel Erfahrung und Know-How, um eine statisch-konstruktive Unbedenklichkeitsbescheinigung nur mit einem Lastenvergleich zu führen, obwohl keine Lastreserven vorhanden sind. Der alternative Lastenvergleich ist gegenüber der statischen Neuberechnung insgesamt als fehleranfälliger zu bewerten und daher nicht zu empfehlen. In der Praxis zeigt sich, dass sobald bei einzelnen Knotenpunkte und Bauteilen Unsicherheit besteht, eine rechnerische Neueingabe die verlässlichere und effizientere Methode darstellt.
Wozu werden Lastenvergleiche auf Basis des statischen Ausnutzungsgrades häufig genutzt?
Der vereinfachte Lastenvergleich auf Basis des statischen Ausnutzungsgrades wird häufig zur Ersteinschätzung der technischen Machbarkeit eingesetzt. Mit wenig Aufwand können Fachexperten vor detaillierter Auseinandersetzung mit der Gebäudestatik einschätzen, ob eine Zusatzbelastung statisch bedenklich ist oder nicht. Sie werden beispielsweise bei Portfolioanalysen auf Dokumentenbasis eingesetzt (vorab: Haftungsausschluss klären).