Die Praxis aus einer Vielzahl geprüfter Bestandsgebäude zeigt, dass Gebäudeakten in den allermeisten Fällen nicht vollständig sind, tragende Bauteile in der Nutzungsphase zusätzlich belastet werden (z. B. nachträglich installierte Rohre, Kabeltrassen, Kranbahnen, Einbauten), oder Pläne, Fotos und Berechnungen nicht übereinstimmen. Die Folge: Die statisch-konstruktive Unbedenklichkeit bei einer PV-Installation kann ohne Neuberechnung der Gebäudestatik rechnerisch nicht nachgewiesen werden. Es findet eine Neumodellierung statt. Wann eine Neuberechnung sinnvoll ist und wie aufwendig diese sind, wird im nachfolgenden Beitrag erläutert.
Wie wird die Statik eines Gebäudes berechnet?
Die statische Berechnung eines Gebäudes ist so aufgebaut, dass äußere und innere Einwirkungen auf ein Gebäude in Form von Lastannahmen ermittelt werden. Die Geometrie und konstruktive Ausführung eines Gebäudes bestimmt das statische System. Sprich: An welcher Stelle wirken — auf welcher Länge — welche Lasten. Das Ziel der statischen Berechnung ist es, jede Art von Lasteinwirkung (Wind, Schnee, Eigengewicht, Erdbeben, Anpralllasten, Nutzlasten) sicher in einen tragfähigen Baugrund (Boden) zu leiten und die Gebäude-Bauteile entsprechend zu dimensionieren. Zur Dimensionierung einzelner Bauteile werden statische Systeme einzeln betrachtet und Kräfte an einzelnen Knotenpunkten ermittelt. Jedes Bauteil — von oben nach unten — wird, sofern dem Bauteil eine tragende Funktion zugetragen wird, einzeln dimensioniert. Für jedes Bauteil und für statisch relevante Bauteilverbindungen (Schweißnähte, Schraubverbindungen, Nietverbindungen) werden unterschiedliche, rechnerische Nachweise geführt. Dazu zählen beispielsweise Druck‑, Zug‑, Biege‑, Knick- und Schubnachweise. Sowohl die Standsicherheit als auch die Gebrauchstauglichkeit sind sicherzustellen. Die Standsicherheit stellt sicher, dass die gewählte Konstruktion unter wiedrigsten Bedingungen standhaft bleibt. Die Gebrauchstauglichkeit stellt sicher, dass die gewählte Konstruktion auch langfristig keine Bauschäden, beispielsweise aufgrund zu hoher Durchbiegungen erfährt. Zu hohe Durchbiegungen können beispielsweise bei der Entwässerung am Dach eine wichtige Rolle spielen (bauphysikalisch und baukonstruktiv ungewünschte Pfützenbildung).
Erfüllt ein Bauteil — aufgrund seiner Abmessungen und Form — die rechnerischen Anforderungen, gilt das Bauteil als statisch unbedenklich.
Wie wird nachträglich das PV-Gewicht berücksichtigt?
Je nachdem wo die PV-Anlage installiert wird, werden zusätzliche Lastannahmen dem Rechenmodell hinzugefügt. Alle rechnerisch nachgewiesenen Bauteile und Bauteilverbindungen werden — unter Beachtung der Zusatzlasten — neu bewertet. Es wird abschließend geprüft, ob alle Bauteile trotz höherer Belastung weiterhin tragfähig und gebrauchstauglich sind.
Können alte Statik-Dateien wiederverwendet werden?
Teilweise mag es funktionieren, dass man alte Berechnungsdateien wieder verwenden kann. Da sich Softwareprodukte, Normen und Berechnungsmethoden weiterentwickelt haben, ist die Wiederverwertbarkeit jedoch häufig gering. Darüber hinaus müsste es sich um ein einlesbares Datenformat handeln. Da nicht alle Statiker mit der gleichen Software rechnen, ist die Wiederverwertbarkeit am ehesten beim ursprünglichen Statiker gegeben.
Warum ist eine Neumodellierung häufig vorteilhaft?
Bei Bestandsgebäuden wurde häufig noch mit alten Lastannahmen und veralteten Methoden gerechnet. Moderne FEM-Berechnungen (Simulationsverfahren) ermöglichen es, Momentenumlagerungen und andere statische Effekte in einem Gebäude ganzheitlich zu betrachten. Die Verfahren sind genauer und helfen teilweise, die statisch-konstruktive Unbedenklichkeit nachzuweisen.
Welche Lösungen gibt es, wenn einzelne Bauteile trotz moderner Methoden überlastet sind?
Grundsätzlich sind drei Ansätze denkbar.
- Die reale Belastung wird reduziert. Beispielsweise wird die Schichtdicke vorhandener Kiesbeläge entfernt und die dadurch gewonnenen Lastreserven für PV-Anlagen und Lastplatten genutzt.
- Es werden geringere Zusatzlasten gewählt. Anstelle eines Ständersystems werden PV-Folien auf das Flachdach geklebt. PV-Folien sind teurer und weniger effizient, aber manchmal eine technisch sinnvolle Lösung.
- Es werden Nachbesserungen am Bestandssystem vorgenommen. Nach der Neumodellierung ist genau erkennbar, welche Bauteile nachgebessert werden müssten. Ein erfahrener Tragwerksplaner weiß schnell, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Zusatzbelastungen aufnehmen zu können. Zusätzliche Querträger oder Streben können beispielsweise einfach geschraubt oder geschweißt werden. Entsprechende Nachweise sind zu führen.
Fazit
Die statisch-konstruktive Unbedenklichkeit kann häufig erst nach Neumodellierung der Statik rechnerisch belegt werden. Bei sehr schlechter Gebäudedokumentation kann es zusätzlich sein, dass ein erheblicher Aufwand für ein Aufmaß entsteht (inkl. Miete für Hebebühnen oder anderen Gerätschaften). Die Erfahrung zeigt aber auch, dass qualifizierte Tragwerksplaner mit Erfahrung bei PV-Projekten auf dem Dach im Regelfall auch kosteneffiziente Lösungswege aufzeigen können, die statisch-konstruktive Unbedenklichkeit nachzuweisen.